Thomas Reinhold

Das Bild als Double

Thomas Reinhold (geb. 1953 in Wien, lebt und arbeitet in Wien und Walkersdorf/NÖ) ist einer der anerkanntesten Proponenten österreichischer Malerei. Sozialisiert im Umfeld der „Neuen Wilden Malerei“ Ende der 1970er Jahre hat er jedoch die große Geste und den expressiven Duktus ad acta gelegt und sein malerisches Werk konsequent und individualistisch weiterentwickelt. Ein besonderes Merkmal von Thomas Reinholds Malerei ist, dass sie ohne Pinsel auskommt. Farbe und Leinwand berühren sich nicht über den Umweg des Pinsels, sondern begegnen sich unvoreingenommen und pur. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Thomas Reinhold seine malerischen Ergebnisse dem Zufall überlässt. Durch genau ausgeklügelte Schüttbewegungen und Aufheben, sowie sachtes Bewegen der liegenden Leinwand erzielt der Künstler atemberaubende malerische Effekte: Rinnsale, Farbüberlagerungen und -verläufe, Regelmäßigkeiten und Störeffekte – alles nur auf Basis von reiner Farbe, die unmittelbar mit der Leinwand in Kontakt tritt.

Der Schwerpunkt der Ausstellung bei zetter projects liegt auf rezenten Arbeiten im Mittel-und Großformat. Die Palette, derer sich der Künstler bedient, wird in den letzten Jahren von gedeckten Rot- und Gelbtönen dominiert, die Thomas Reinhold immer wieder mit Grau in verschiedensten Schattierungen zusammenbringt. Rundungen, Ovale, Farbsegmente, deren form- und körperbildende Farbe zu allen vier Seiten „ausläuft“: Vor einem Gemälde von Thomas Reinhold zu stehen und dieses eingehend zu betrachten bedeutet, sich Zeit zu nehmen, genau zu schauen. Hat man einmal das große Ganze visuell erfasst, beginnt das Auge sofort die Mikroebene der einzelnen Farbflächen, ihre Überschneidungen, Begrenzungen, ihre Ausfransungen und Ausläufer zu verfolgen und dabei eine unendliche Vielzahl an Farbschattierungen und -texturen zu scannen. Thomas Reinholds Bilder sind daher immer wieder neu, bleiben offen und verkörpern kongeniale Partner des Sehakts an sich – sie sind niemals völlig „erschaut“, scheinen sich im Auge der Betrachter:innen stets neu zu erfinden. Und ja, es ist abstrakte Malerei, die wir hier vor uns haben, aber, wie es der Künstler Ingo Nussbaumer beschrieben hat, „gegenständlich formuliert“. Damit ist einerseits ein Realismus gemeint, der nicht an eine konkrete Darstellung, sondern an den Vorgang, den Prozess des Malens gekoppelt ist. Andererseits birgt Thomas Reinholds Malerei ein großes Maß an Spontaneität, die ein Erfahren bzw. Handeln auf der Sinnesebene mit einem Verstehen zusammenführt.

Das sinnlich-malerische Element vereinigt sich bei Thomas Reinhold mit einem intellektuell-konzeptionellen Anspruch, auf den auch die Titel seiner stets in Serie entstehenden Arbeiten verweisen: Enchanté (2007), Bild (2018), Matrix (2020) oder Curva (2022) etwa markieren das theoretische Substrat in Reinholds künstlerischer Arbeit. Auch der Ausstellungstitel stellt eine Reverenz an Antonin Artauds Essay-Band „Das Theater und sein Double“ dar, in dem der französische Schauspieler und Theatermacher nichts weniger als die Auffassung von Theater als etwas propagiert, was sich nicht der Nachahmung von Realität verschrieben hat, sondern auf transformative und wirklichkeitsgestaltende Prozesse fokussiert. Wie das Theater hat auch das Bild seinen Ursprung im Ritual und im Kult. Dies setzt Thomas Reinhold  für seine Bilder um, die, jedes für sich, Fenster in Welten zu sein scheinen, in denen Gegensätze zusammenkommen dürfen, Farbflächen einander überlagern, Rinnsale zu den Seiten des Bildgevierts streben, Helligkeit und Dunkelheit sich nicht bekämpfen, sondern gerade durch ihre beidseitige Präsenz den Bildraum in Spannung halten.

Und auch wenn sich Thomas Reinhold bewusst und nachhaltig für das langsame Medium der Malerei entschieden hat: Man kommt nicht umhin, in diesen Malereien auch immer wieder Verweise auf die digitale Welt, auf einen Glitch, eine kaputte Bilddatei, auf ein ausgepixeltes Image zu identifizieren. Der Malerei hier also Anachronismus vorzuwerfen, ist verfehlt. Wie ein Spiegelbild eines Screens erinnern vor allem Thomas Reinholds jüngste Arbeiten oft an digitale Phänomene, die jedoch nicht einfach vom Schirm gewischt werden auf Nimmerwiedersehen, sondern die sich auf Leinwand für die Ewigkeit eingeschrieben haben.

Bilder, so wie Thomas Reinhold sie versteht, sind keine Abbilder von Wirklichkeit sondern handeln von der Wahrnehmung als solche. Bedächtig und meditativ arbeitet Thomas Reinhold an seinem Projekt Malerei und offeriert allen, die sich auf diese Bilder einlassen, eine schlichte wie einleuchtende und überaus wertvolle Erkenntnis: „Beim Malen geht’s ums Schauen.“

Lisa Ortner-Kreil

Kommende Ausstellungen 2025:
Gunter Damisch

 

März 2025

Vergangene Ausstellungen:
Thomas Reinhold
Karl Prantl und Hans Bischoffshausen